Zu „Anonymes Wasser“ und „Weide und Turm“Ich bin in einem Land an der Donau geboren, in einer Ebene, umringt von sanften Hügeln an denen der Wein wächst, mit vielen Feldern – dem Tullner Feld. Der schönste Aufenthalt war für mich immer am Rande des Wasserlaufs, im niedrigen Schatten der Weiden, den Donauauen… Es macht mir jetzt noch Freude, einen Strom zu begleiten, an seinen Ufern entlangzulaufen in der Richtung des Wassers, welches fließt, des Wassers, welches das Leben anderswohin trägt, in die nächste Stadt… Doch die Heimat ist weniger eine ausgedehnte Fläche als ein Stoff; sie ist ein Granit oder eine Erde, ein Wind oder eine Trockenheit, ein Wasser oder ein Licht. In ihr materialisieren wir unsere Träumereien; durch sie bekommt unser Traum seine richtige Substanz… In meinen Träumen am Fluss habe ich meine Phantasie dem Wasser geweiht, dem grünen und klaren Wasser, dem Wasser, das die Wiesen grünen und den Wein blühen lässt. Ich kann mich nicht an einen Bach oder Fluss setzen, ohne in tiefes Träumen zu verfallen, ohne mein Glück wiederzusehen… Es muss nicht der Strom meiner Heimat zu sein und auch nicht das Wasser meiner Heimat. Das anonyme Wasser kennt alle meine Geheimnisse. Dieselbe Erinnerung steigt aus allen Quellen auf, wie das Spiegelbild, wenn ich ins Wasser blicke. frei nach Gaston BACHELARD, L'Eau et les rêves
Der WIENERWALD gibt mir immer wieder die Möglichkeit, unspektakulär und in kleinen Schritten ein Stück von dieser verlorenen Identität zurückzuholen, jener Ganzheit und Vollkommenheit näher zu kommen, nach der sich unsere Sehnsucht immer heftiger verzehrt, in der ich John RUSKINs „VERWORRENE FORMEN“ und Jackson POLLOCK verstehen gelernt habe. Und POLLOCK sagte: „Ich male wie die Natur.“ – und: „Ich bin NATUR!“.
„melon“„melon“ (gr.) hatte einen größeren Bedeutungsumfang als „melum“ (lat.), denn es bezeichnete auch Kleinvieh, wie Schafe und Ziegen (das „Goldene Vlies“), aber beide Wörter wurden für exotische Früchte verwendet, die mehr oder weniger wie Äpfel aussahen, wie Quitten, Pfirsiche, Zitronen, Orangen, Früchte, die in der Sonne glänzten, die „Äpfel der Hesperiden“, also keine Bezeichnung für eine konkrete Obstsorte, sondern bezieht sich auf mythische Früchte, die „Früchte der Unsterblichkeit“. War es wirklich ein „Apfel“ der Schuld war an der Vertreibung von Eva und Adam aus dem Garten in die Welt? siehe: Jacques BROSSE – Mythologie der Bäume – Patmos Verlag – Kap.8, S.246–254
„ZERO“Die Zahl ist ein grundlegendes Prinzip, von dem die gesamte objektive Welt ausgeht; sie ist der Ursprung aller Dinge und die dem Universum zugrundeliegende Harmonie. Sie ist auch das universelle Grundprinzip der Proportionen in den bildenden Künsten und des Rhythmus in der Musik. Für Platon sind Zahlen die Harmonie des Universum; für Aristoteles war die Zahl „der Ursprung und sozusagen die Substanz aller Dinge, und sie stellt sozusagen ihre Affekte und Zustände dar“.
„Sol y Sombra“
Text zu Stierkampfmappe mit 6 Radierungen – 1986
Als noch die Stiere – weiß oder schwarz – mit glänzendem
Fell auf saftigen Wiesen, mutig voll Kraft strotzend, ihre
muskulösen Körper durch die Welt trugen und Helios'
Strahlen sie wärmten, waren sie, taten sie, lebten sie –
reiner Vision gleich.
Vulcanus' Knechte schmiedeten feine Klingen aus edlem
Metall, um zu forcieren den Zweikampf der gefeierten
Schlächter. Umtucht von Gold durchwirkter Seide und unter
dem Widerhall der Fanfaren ließen sie ihren natürlichen
Geruch, um bekränzt zu werden von des Eintopfs Gewürz. Der
gehörnte Sechsbeinige erlebte sein Zero in der
Unendlichkeit seines Schweigens. Die gallertige Masse der
Gehirnganglien zersetzte sich in seine einfachsten und
urtümlichsten, kosmischen Bestandteile und Lorbeer versank
im Schlamm. Saftige Wiesen verwandelten sich in
blutgetränkte Erde, Autumnos Farben leuchteten. Vor
djeus'** Olympos verloren Spiele ihre Ästhetik.
Nur einer dachte und irrte verzweifelt, zu entkommen den
Encierros, um wieder zu finden die Querencia***, um sich
wohl zu fühlen, zu ordnen, zu klären.
Der gehörnte Sechsbeinige träumt vom Zero, von saftigen
grünen Wiesen, wo sie waren, taten, lebten…
„Schlacht“
Hommage an Oskar Kokoschka – Die Thermophylen – 1986Im Schatten einer hundertjärigen Platane weideten Schafe, der Hirte entlockt der Panflöte liebliche Töne, die sich mit denen der Zikaden zu einer Symphonie vereinten. Die flirrende Luft trug sie über karges, felsiges Land, hin zu zerklüfteten Küsten, über schäumende Wogen, hin zu weit vorgelagerten Inseln, deren weiß getünchte Häuser herüberglänzten, zu der Idylle, die der Bedürfnislosigkeit Diogenes' entsprach. Im Hof, den beherrschenden Raum des antiken Hauses lagen die Männer auf Liegen um den Tisch und ließen sich zu hausgebackenem Brot Oliven, Käse, Fisch, Gemüse und Obst reichen, tranken Wasser und Wein und hielten ihr Symposion. – „ Chaire! “ Die Würfel taten das ihre, wie geistreiche Gespräche im Wechsel mit Witzen und Rätsel, Tänze und Hetären sorgten für Unterhaltung. – „ Chaire! “
Im flackernden Licht der Öllämpchen erschien Dionysos, in
seinem Gefolge weinlaubbekränzt Silen, Mänaden und Pan;
Satyrn kelterten die Trauben, Akrobaten, Zwerge und
Schauspieler der Komödie erheiterten die Gäste.
Die Götter sind unsterblich und leben – unbeschwert und heiter…
Heilige Geste wurde gestreut und sie beugten zurück den
Hals des Stiers und stachen, zogen die Haut ab, sonderten
die Schenkel, umwickelten sie doppelt mit Fett, bedeckten
sie dann mit Stücken der Glieder, brieten alles und aßen
das nutzlose Opfer. Der geharzte Wein verdrängte ihre
Gedanken an die Vergangenheit. Die Panzer wurden angelegt,
die Waffen ergriffen – das Perpetuum mobile geriet in
Bewegung. Und da war einer, der nicht Geschichte leben wollte, doch einzig blieb die Öde. Text zu gleichnamigen Triptychon – 1984 – Siebdruck/Kreide/Acryl – je 100x70cm
„Die Tonne“
Text zu Kohlezeichnungen aus Dalmatien – 1987Südliche Sonne, gleißendes Licht und dalmatinischer Rotwein, voll im Geschmack, ließen mich die Schatten der uralten Olivenhaine, durchwirkt von dem Konzert der Zikaden, gelegentlich unterbrochen durch das Gezwitscher eines Vogels, vielleicht seinen eigenen Epos singend, aufsuchen, um mich in diese Harmonie, diese Vollkommenheit einzugliedern. Die Stadt ist ein Riesentintenfisch und seine Tentakeln reichen bis hierher. Und doch ist hier diese Schönheit, diese Kraft, die andere Gestalt angenommen hat, kein archaischer El, kein Salto mortale, der durch wütendes Heben des Gehörns zustande kam. Die Kraft nahm andere Gestalt an: silbrig glänzende Blätter eines Olivenzweiges. Peinigende Trauer und Empörung bemächtigte sich meiner, weil ich diesen Zweig nie malen werde, der in der Stadt zum Kitsch erklärt wird. Mein Inneres rebellierte, denn Dionysos fragte nach meiner heiß geliebten Stadt, den Neonlichtern, den verrauchten Lokalen, den göttlichen Leibern der Renaissance – oder den Fratzen? – der sogenannten Kultur – der Gemachten!
…und Satyrn, Mänaden und Silene tanzten und ich tanzte
um einen, mit aufgetürmten Karstgestein, arenenartig
eingezäunten, huntertjährigen Olivenbaum, Staub
aufwirbelnd, und sah plötzlich durch das blinkende Geäst
etwas, das hier nicht her gehörte, etwas Geometrisches,
das in diesem überwundenen Chaos keinen Platz
hat: eine alte, verrostete
Blechtonne… Und ich liebte wieder die Luft, die mir Klarheit gab, das Licht, das mich wärmte; und der Tau gab mir Frische. Wer seinen Naturalismus nicht erkannte und erlebte, begreift NICHTS!
„Der Salbei der Madeleine“
In der rue de Liège piekt eine Taube, eine in Lumpen
gehüllte Alte, die unter einem Schaufenstersims schläft an
den Füßen, als wollte sie sie wecken. Unter dem Dachsims
des Jugendstilhauses ziert ein buntes Mosaikornament die
Fassade. – Stil hat die Alte! Morgen wird sie wieder von einer Taube gepiekt werden… Vom Place de la Concorde schlendere ich vorbei am Obelisque de Louqsor Richtung Madeleine. Mächtig der Bau schon von fern und bedrückend der Ruhmestempel der Grande Armêe in kaiserlichem Ausmaß von nah und beherrscht breit den Platz. Links und rechts des Treppenaufgangs silbergraue, grünfilzige und violette Blätter, welche überdimensionale Säulen vergessen lassen: SALBEI. Dein Name Madeleine, sanft…
Ich zupfe ein paar Blätter von den Stauden und zerreibe
sie zwischen meinen Fingern. Angenehmer, anregender Duft
steigt mir in die Nase…
Am Ende der „Weißen Straße“ die „Rote
Mühle“ – unattraktiv das Moulin Rouge – gewaltig die
Mühle von Mondrian! Morgen erst werde ich der Bettlerin in ihre toten Augen sehen und ihr SALBEI schenken… *heilen, retten; wärmend, anregend Paris – 2006
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